Quantencomputing: Eine 18-Jährige gestaltet die IT-Zukunft mit
20. Oktober 2023 / Interview mit Somya Rathee, HTL Spengergasse, TU Wien, Quantum Society Austria & QMware
Ein Begriff, der gleichermaßen faszinierend und doch rätselhaft anmutet: „Quanten“. Sie gehören zu den Grundbausteinen unserer Welt. Ihre Art der Überlagerung und Verschränkung dient als Inspiration für die Funktionsweise von Quantencomputern, eine zukunftsträchtige Technologie, die derzeit intensiv beforscht wird. Das Terrain ist hochkomplex, dennoch wagt sich eine 18-jährige HTL-Schülerin und Studentin, die zusätzlich auch erste berufliche Erfahrungen bei QMware sammelt, in die Tiefen der Quantenphysik. Gemeinsam mit Gleichgesinnten hat sie die „Quantum Society Austria“ ins Leben gerufen, um diese für viele Menschen unverständliche Welt zu entmystifizieren und das Potenzial des Quantencomputings zu demonstrieren. Im folgenden Interview sprechen wir mit Somya Rathee, einer Botschafterin der zweiten Quantenrevolution.
Wie sind Sie auf Quantencomputing als Fachgebiet gestoßen?
Somya Rathee: Es gibt verschiedene Wege, mein Weg war ein bisschen speziell. Und zwar war ich in der Unterstufe im Gymnasium schon sehr interessiert an Physik, als ich so 11, 12 war, und dann auch an Quantenphysik. Dann bin ich in die HTL gewechselt, in den Informatik-Zweig. Aber ich wollte das Interesse an Quantenphysik nicht verlieren und habe recherchiert, wie man diese zwei Felder verbinden kann. Und so bin ich auf Quantencomputing gestoßen. Ab 14, 15 war ich komplett in dem Thema drinnen. In der Schule selbst ist es kein Thema, weil es nicht im Lehrplan steht.
Sie haben sich also autodidaktisch weitergebildet?
SR: Ja, wobei mir die HTL sehr viel ermöglicht, was Datenbanken und Programmieren betrifft, und hier die wichtigen Grundlagen vermittelt. Ganz wichtig ist auch die internationale Vernetzung durchs Internet. Die LinkedIn-Community und Discord sind Foren, die mir da sehr weitergeholfen haben, und es gibt viele Organisationen, die weltweit Kurse anbieten. Ich habe zum Beispiel bei IBM-Hackathons mitgemacht oder auch Summer Schools besucht. Durch LinkedIn bin ich auf ExpertInnen gestoßen, die sich mit den Themen auseinandersetzen – und ich habe sie einfach direkt gefragt. Ich habe noch nie wirklich nachgedacht, ob ich jetzt lieber nicht fragen soll, weil das ein/e bekannte/r ForscherIn ist. Ich habe sehr großen Respekt vor diesen Menschen, aber es geht um die Sache und am Ende des Tages möchte man dazulernen.
Ist die Kontaktaufnahme mit solchen Koryphäen nicht schwierig?
SR: Ich habe einfach E-Mails geschrieben und die Leute schreiben auch zurück. Sie sind interessiert an der Vermittlung von Informationen und am Austausch. Dadurch konnte ich mein Netzwerk ausbauen und auch Praktika haben mich viel weitergebracht. So habe ich zum Beispiel bei einem Internship bei IBM Nico Einsiedler kennengelernt. Er hatte schon die Idee, eine Organisation rund um Quantencomputing ins Leben zu rufen, und ich arbeite seitdem dabei mit, die Quantum Society Austria weiter auszubauen. Die Society organisiert Events und wir arbeiten intensiv an der Vernetzung und Erweiterung der Community.
Wie realistisch ist es, dass Quantencomputing bald ein Schulfach sein wird?
SR: Das ist schwierig einzuschätzen. Es ist ein komplexes Fach und es dauert auch einige Zeit, bis ein neuer Unterrichtsgegenstand für den Unterricht aufbereitet ist, bis es einen Lehrplan gibt, bis es genug Lehrende gibt … Wo wir aber auch SchülerInnen ansprechen können, sind unsere Events, das nächste ist das „Quantum Fall Fest 2023“ am 11. November an der TU Wien. Die Veranstaltungen sind offen, da können alle kommen, die sich für das Thema interessieren: sowohl ForscherInnen, die schon tief in der Materie drinnen sind, als auch AnfängerInnen.
Und nun die Kernfrage: Was ist Quantencomputing?
SR: Im klassischen Computing gibt es Bits, die die Zustände 1 oder 0 einnehmen können, aber nichts dazwischen. Das ist beim Quantencomputing anders. Da gibt es Qubits, die nicht nur in 1 oder 0 existieren können, sondern in jeder beliebigen Überlagerung dieser beiden Zustände – also in mehreren Zuständen gleichzeitig. Damit können wir die Komplexität von Rechenvorgängen reduzieren, die Rechenzeit verkürzen und Daten effizienter verarbeiten.
Quantencomputing nutzt die Gesetze der Quantenmechanik, um Berechnungen durchzuführen. Deshalb funktioniert die Informatik anders als bei klassischen Rechnern. Wir haben hier drei Haupt-Eigenschaften.
- Die Superposition: Das ist das oben beschriebene Phänomen, dass Qubits sich in einer Überlagerung mehrerer Zustände befinden kann, bis es gemessen wird, wobei jeder Zustand eine gewisse Wahrscheinlichkeit hat.
- Die Interferenz: Die Qubits haben nicht nur eine Teilcheneigenschaft, sondern auch eine Welleneigenschaft, die man besonders für Datenbanksuchen verwenden kann, etwa für den Grover-Search-Algorithmus.
- Die Verschränkung, in der man Qubits miteinander verbinden kann: Sie bauen dann einen Algorithmus, mit dem Daten besser verbunden und analysiert werden können, denn Änderungen an einem Qubit wirken sich direkt auf das andere Qubit aus.
Wie kann man das umsetzen, welche Technik braucht man dafür?
SR: Es bracht spezialisierte Hardware, die sogenannte Qubits verwendet. Diese Qubits müssen von ihrer Umgebung isoliert sein, um externe Störungen zu minimieren, aber sie dürfen nicht völlig isoliert sein, da Wechselwirkungen für Quantenberechnungen erforderlich sind. Das erfordert sehr kalte Umgebungen, oft nahe dem absoluten Nullpunkt, um die Stabilität der Qubits zu gewährleisten. Die genaue Hardwarekonfiguration kann variieren, und es gibt verschiedene Ansätze, wie zum Beispiel die Verwendung von supraleitenden Schaltkreisen oder Ionenfallen. Die Entwicklung von Quantenhardware ist jedoch aufgrund ihrer technischen Herausforderungen und Kosten immer noch in einem fortgeschrittenen Forschungsstadium.
Inwiefern ist die Temperatur maßgeblich dafür?
SR: Derzeit ist Quantencomputing nur bei sehr niedrigen Temperaturen möglich. Es spielt sich alles in elektromagnetischen Feldern ab und jede Interferenz wirkt sich in Form einer hohen Fehlerquote aus. Die Temperatur spielt eine sehr wichtige Rolle bei der Entwicklung von Quantencomputern, denn sie beeinflusst direkt die Stabilität und Kohärenz der Qubits. Im Allgemeinen benötigen Quantencomputer extrem niedrige Temperaturen, normalerweise nahe dem absoluten Nullpunkt um die Quanteneffekte aufrechtzuerhalten und die Dekohärenz zu minimieren.
Wie kann man Quantencomputer programmieren, wie bringt man sie dazu, das zu tun, was man von ihnen will?
SR: Die Programmierung von Quantencomputern erfordert ein Verständnis der Quanteninformatik, die Auswahl eines geeigneten Quantenalgorithmus, das Festlegen der Anfangszustände der Qubits, das Hinzufügen von Quantengates für Berechnungen und die Messung am Ende. Spezielle Quanten-Programmiersprachen wie Qiskit oder Cirq helfen bei der Umsetzung. Es gibt verschiedene Gates, das sind Matrixtransformationen: Etwa das Hadamard-Gatter, mit dem wir den Qubit auf die Superposition bringen, oder den CNOT-Gatter, mit dem man Qubits verschränkt. Es ist eine aufstrebende Technologie, die vielversprechend für die Zukunft ist.
In welchen Bereichen kann man Quantencomputing einsetzen?
SR: Dort, wo wir ganz viele Datenmengen haben, die analysiert und verarbeitet werden sollen: Zum Beispiel im Finanzbereich und in der Cybersecurity. Ein Hauptbereich liegt in der Medizin, da man durch Quantencomputing nun Moleküle simulieren kann, was bisher mit herkömmlicher Informatik nicht möglich war. Wir haben aber derzeit noch eine relativ hohe Fehlerquote. Es stehen auch noch nicht genug Qubits zur Verfügung, um wirklich große Aufgaben zu lösen. Aber das ist derzeit ein wichtiges Forschungsgebiet, wir sind auf einem guten Weg, um die Fehlerquoten zu verringern.
Stichwort Cybersecurity: Ist Quantencomputing eine Bedrohung?
SR: Mit dem Shor-Algorithmus könnte man theoretisch das RSA-Verschlüsselungsverfahren brechen, aber nur mit einer bestimmten Anzahl von perfekten Qubits, die wir derzeit nicht haben. Aber es braucht weniger, um Quantencomputer zum Schutz einzusetzen und etwa Ransomwareanalysen durchzuführen oder Malwareattacken zu entdecken. Allerdings ist die Effizienz der klassischen Mittel noch wesentlich höher. Ein wichtiger Schritt zu besserer Cybersicherheit ist die Kombination von klassischen Algorithmen mit Quantencomputing. Das passiert im Rahmen von Quantum Machine Learning: Diese hybriden Algorithmen ermöglichen die schnelle Analyse von großen Datasets wie etwa bei der Spam Detection und bringen bessere und genauere Resultate als klassische Modelle. Aber wir stehen noch in einer Experimentierphase, in der spezifische Aufgabenstellungen bewältigt werden, die wir noch nicht allgemein auf andere Fälle umlegen können. Quantencomputing hat das Potenzial, sowohl im Bereich der Angriffsmethoden als auch bei der Verbesserung der Sicherheit effizienter zu sein, jedoch stehen wir noch am Anfang dieses Entwicklungsprozesses.
Wie schaut für Sie die Zukunft des Quantencomputing aus?
SR: Die schaut aus meiner Sicht vielversprechend aus. Vor allem bei der Nutzung ganz großer Datasets wie etwa im Finanzbereich, im Gesundheitswesen und in der Cybersecurity birgt Quantencomputing durch Simulationen oder Optimisierungen viele Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Im Grunde gibt es für viele Fragestellungen ja schon Algorithmen, aber wenn man da Quantenlayer einbauen kann, stellt das ein Potential für ein riesiges Upgrade in der Schnelligkeit und Effizienz dar. Ich persönlich finde die molekulare Simulation von Medikamenten und die Impfstoffforschung interessant, das sind nur einige Beispiele, in denen das Potenzial des Quantencomputings besonders vielversprechend erscheint.
Wo sehen Sie Ihre persönliche Zukunft?
SR: Ich arbeite jetzt neben der Schule bei QMware, einer Firma, die für die Industrie im Bereich Quantencomputing forscht und Produkte entwickelt. Das macht mir sehr viel Spaß, da ich hier viel Forschung betreiben, aber auch schon konkrete Lösungen nutzen kann, um Algorithmen zu bauen. Aber ich habe ja erst zu studieren begonnen, vielleicht lerne ich im Lauf der Zeit neue Forschungsfelder kennen, die mich interessieren und in denen ich auch im akademischen Bereich arbeiten möchte.
Welchen Tipp geben Sie jungen Menschen, besonders Mädchen und jungen Frauen, wenn sie sich keine technische Ausbildung zutrauen?
SR: Ich denke, wenn das Interesse da ist, kann es jede und jeder schaffen. Einfach anfangen, dranbleiben und sich reinhängen. Dann kommt man schnell drauf, ob man tatsächlich dafür geschaffen ist oder nicht. Was die Frage betrifft, dass Mädchen und Frauen oft vor Technik oder IT oder Mathematik zurückschrecken oder gar nicht auf die Idee kommen, das als Beruf zu wählen: Ich habe schon auch hin und wieder gespürt, dass man mir gewisse Dinge nicht zutraut oder dass man meint, ich sei nicht dafür geeignet, weil ich ein Mädchen bin. Aber das blende ich aus, weil es ein gesellschaftliches Problem ist und nichts mit mir persönlich zu tun hat. Das ist keine biologische „Tatsache“, dass Mädchen Mathematik oder IT nicht verstehen könnten. Deshalb haben wir ja mit der Quantum Society Austria eine Community gegründet, in der man sich informieren, vernetzen und gegenseitig unterstützen kann.
Herzlichen Dank für das anregende Gespräch!