Distance Learning: Herausforderung und Chance!
Klaus Hasenzagl von der HTL St. Pölten im Interview zum Thema Distance Learning
Wie haben Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler das Distance Learning bewältigt?
Klaus Hasenzagl: Wirklich gut! Die Schülerinnen und Schüler sind sehr vertraut im Umgang mit diesen Medien, deshalb gab es in diesem Zusammenhang keine gravierenden Probleme. Um ein Beispiel zu nennen: Da wir im Informatik-Unterricht relativ anspruchsvolle Programmieraufgaben bearbeiten, trat bei zwei Schülern ein Leistungsproblem mit ihren privaten Rechnerressourcen auf. Ihnen wurde aber innerhalb kürzester Zeit eine entsprechende IT-Ausstattung von der Abteilung zur Verfügung gestellt, die es ihnen ermöglichte, die Aufgaben problemlos und ohne Nachteile zu lösen.
Das Lehrerinnen- und Lehrer-Team stellte sich mit Bravour einigen neuen Herausforderungen, die mit der kurzfristigen Umstellung auf 100-prozentigen Online-Unterricht verbunden waren. Dazu gehörte zum Beispiel am Beginn des Lockdowns, dass sich die Kolleginnen und Kollegen vom späten Nachmittag des 13. März für den Unterricht am darauffolgenden Montagmorgen (dem ersten Tag des Homeschoolings) mit verschiedenen Online-Lehr-/Lernplattformen intensiv vertraut machen mussten. Zudem war der gesamte Unterricht in allen Klassen (Unterrichtsinhalte, die Umsetzung u.v.m.) für den Onlineunterricht zu adaptieren. Für die optimale Durchführung von Distance Learning waren also diverse Unterlagen, Übungsbeispiele, die Kommunikationsprozesse etc. entsprechend umzustrukturieren, denn diese unterscheiden sich großteils wesentlich von jenen des Präsenzunterrichts. Das Erfreuliche ist aber: Es klappte perfekt! Ich bin sehr stolz auf das Lehrerinnen- und Lehrer-Team der Informatik-Abteilung, denn es setzte die genannten Anforderungen effizient und produktiv um. Es kamen von unseren Schülerinnen und Schülern auch sehr positive Feedbacks über die doch fast dreimonatige Onlineunterrichtsphase und über die Betreuung durch ihre Pädagoginnen und Pädagogen.
Was waren dabei die größten Herausforderungen und Hürden?
Klaus Hasenzagl: Wie erwähnt, die doch sehr schnelle Umstellung vom Präsenz- auf Onlineunterricht über das besagte Märzwochenende. Wenn wir eine längere Vorbereitungsphase für Distance Learning gehabt hätten, wäre das natürlich kein Nachteil gewesen. Zu Schuljahresende konnten wir aber eine überaus positive Gesamtbilanz ziehen.
Eine weitere Herausforderung für das Lehrerinnen- und Lehrer-Team stellte sicherlich die Synchronisierung aller Schülerinnen- und Schüler-Zielgruppen im Lerntempo dar. Viele Schülerinnen und Schüler schöpften im Distance Learning ihr volles Lernpotenzial aus und waren in ihrem Tatendrang fast nicht zu bremsen. Auf der anderen Seite gab es einige wenige Schülerinnen und Schüler, die eine umfangreiche bilaterale Online-Unterstützung seitens des Lehrpersonals benötigten, um die individuellen Lernziele zu erreichen.
Gab es positive Überraschungen/Erkenntnisse, mit denen Sie nicht gerechnet haben?
Klaus Hasenzagl: Meine Erwartungen wurden definitiv dabei übertroffen, mit welchem Engagement sich unsere Lehrerinnen und Lehrer sowie Schülerinnen und Schüler diesen neuen Herausforderungen gestellt haben. Es entwickelte sich dadurch ein ganz besonderer Teamgeist, ein großer Gemeinschaftssinn, der die plötzlichen, bis dato nicht existenten Challenges gemeinsam bewältigen ließ. Die Lehrerinnen und Lehrer übernahmen nun schier die Rolle von Trainerinnen und Trainern beziehungsweise Mentorinnen und Mentoren. Gemeinsam zu versuchen, das Bestmögliche zu erreichen, ist sicherlich die Idealauffassung von „Schule“.
Sehr schnell professionalisierten Lehrerinnen und Lehrer wie Schülerinnen und Schüler auch die Online-Kommunikation. Online-Besprechungen über „Teams“, zum Beispiel bei Laborübungen, bei den Diplomarbeitsbetreuungen, Hausübungsbesprechungen, nach Referaten etc., waren nach kurzer Zeit selbstverständlich geworden. Die hier erworbenen Kompetenzen in puncto Onlinekommunikation sind gerade im IT-Bereich von großer Bedeutung, da die Nachwuchs-Informatikerinnen und -Informatiker im Berufsleben in sehr hohem Ausmaß international tätig sein werden. Onlinekonferenzen gehören dann zum Berufsalltag.
Welche „Learnings“ ziehen Sie aus dieser Phase?
Klaus Hasenzagl: Generell ist unser Ziel die Optimierung des Medienmixes im Präsenzunterricht. Materialien und Methoden des Onlineunterrichtes, die sich bewährt haben, sollten punktuell auch im Präsenzunterricht weiteren Einsatz finden und zur Stärkung der Onlinekompetenzen beitragen.
Zudem arbeiten Schülerinnen und Schüler im 4. und 5. Jahrgang in der IT-Projektentwicklung direkt mit externen Partnerinnen und Partnern beziehungsweise Auftraggeberinnen und Auftraggebern zusammen. Die neu gewonnen Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler in der Online-Kommunikation sollen auch hier eingesetzt werden. Im gemeinsamen Projekt-Entwicklungsprozess, wo oftmals Rückfragen seitens der Schülerinnen und Schüler erforderlich und nicht immer persönliche Treffen mit Partnerinnen und Partnern möglich sind, wird dadurch die Qualität der Zusammenarbeit sicherlich gesteigert.
Werden Sie das Angebot erweitern (etwa neue Tools und Geräte anschaffen; Richtlinien für Cybersecurity herausgeben, Schulungen/Kurse anbieten o.ä.)?
Klaus Hasenzagl: Generell sind wir Befürworter des sog. „KISS“-Prinzips (keep it smart and simple); dieses hat sich definitiv auch im letzten Sommersemester bewährt. Im Allgemeinen sind wir optimal mit unseren Kommunikations- und Sicherheitsstrukturen zurechtgekommen. Im Rahmen der bestehenden finanziellen Möglichkeiten planen wir aber Neuanschaffungen, wie zum Beispiel modernste Cams. Im Prinzip ist die Informatik-Abteilung in diesem Bereich gut aufgestellt. Aber: „Wer rastet, der rostet“, und deshalb reflektieren wir permanent über Verbesserungsmöglichkeiten, auch hinsichtlich des technischen Equipments, unserer IKT-Struktur etc.
Seit über zwei Jahren bietet die Informatik-Abteilung den Ausbildungsschwerpunkt „Cybersecurity“ an (in Kooperation mit der FH St. Pölten). Und so stellte auch Distance Learning im Rahmen des Cybersecurity-Unterrichts ein wichtiges Thema dar, das einer genauen gemeinsamen Betrachtung unterzogen wurde.
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